Das Chadim schreibt Geschichte

Über die Wienerberggründe, die Ziegelwerke, Victor Adler und Friedrich Adler

Die gewaltigen Lehmablagerungen im Süden Wiens ermöglichten eine lange Tradition der Ziegelgewinnung, insbesondere am Wienerberg. Bereits 1775 hatte das Militär hier Ziegelbrennereien, die k. k. Fortifikationsziegelöfen, errichtet. 1869 übernahm ein Bankkonsortium die großen Ziegelwerke im Süden Wiens und schuf die Wienerberger Ziegelfabrik- und Baugesellschaft.

Von einem Arbeiter auf die erbärmlichen Arbeitszustände aufmerksam gemacht, ließ sich der junge Arzt Dr. Victor Adler von einem Ziegelmeister in die Wienerberger Werke einschleusen. Dann berichtete er in einer Artikelserie in seiner Zeitung „Gleichheit“ über die „Sklaven vom Wienerberg“. Damit wurde die Öffentlichkeit erstmals auf die fürchterliche Ausbeutung der, meist aus Böhmen und der Slowakei zugewanderten, Ziegelarbeiter aufmerksam gemacht.

Sein unmittelbarer Erfolg war, dass die Gewerbeinspektion das ohnehin ungesetzliche „Blechgeld“ (welches nur am Werksgelände einlösbar war) sofort untersagte, und die Arbeiter in Bargeld entlohnt wurden.

Die von Adler aufgezeigten Missstände führten 1895 zum großen Ziegelarbeiterstreik, an dem sich insgesamt mehr als 10.000 Arbeiter und Arbeiterinnen beteiligten. Die Werksleitung der Wienerberger hatte bereits gemachte Zugeständnisse zurückgenommen und war nicht bereit, mit Arbeitervertretern zu verhandeln.

Der Streik erfasste bald an die 30 Ziegelwerke. Victor Adler und der sozialdemokratische Reichsratsabgeordnete Engelbert Pernerstorfer besuchten besuchten die Ziegelwerke, worauf Pernerstorfer im Parlament eine dringende Anfrage an den Ministerpräsidenten zur Lage der Ziegelarbeiter richtete. Unter dem öffentlichen Druck wies die Regierung die Ziegelwerksbesitzer an, mit den Streikenden zu verhandeln. Das Ergebnis war ein erster Sieg für die Ziegelarbeiter: Die Löhne wurden erhöht, die Einhaltung des Elfstundentages und der Sonntagsruhe zugesichert und ein ungerechtes Prämiensystem abgeschafft.

Zahlreiche Versammlungen der Arbeiter fanden damals im populären Gasthaus Chadim am Wienerberg statt. 1909 konnte schließlich der erste Kollektivvertrag für 17.000 Ziegelarbeiter gewerkschaftlich durchgesetzt werden. Victor Adler blieb mit Favoriten bis zu seinem Tod eng verbunden. Besonders gern sprach er immer wieder zu seinen tschechischen Ziegelarbeitern unter anderem im Gasthaus Chadim. Der Weg, an dem das Restaurant Chadim heute liegt, ist nach seinem Sohn, Friedrich Adler, benannt.

Erst in den 1960er-Jahren wurde der Lehmabbau unrentabel und die Ziegelwerke wurden stillgelegt. Das Areal war nunmehr im Besitz der Stadt Wien. Es wurde als Hausmüll- und Bauschuttdeponie genutzt. Ende der 1970er-Jahre wurde ein städtebaulicher Ideenwettbewerb durchgeführt. Dieser bildete den Auftakt für die Gestaltung des heutigen naturnahen Erholungsgebietes. 1995 erfolgte die Erklärung zum geschützten Landschaftsteil. Das Gebäude des heutigen Chadim diente als Veranstaltungsort, Schule und seit dem frühen 90ern wieder als Gasthaus.

Ein Gast erzählt…

Die ältere Besucherin, welche früher noch in den Ziegelbauten (an der Stelle, an der sich jetzt der Basketballplatz befindet) gewohnt hat, kam als Kind manchmal zur Familie Chadim um Gemüse zu holen. Das Bild der Familie hängt in unserem Rosenzimmer.

Zusätzlich zum Gemüsehandel hat Familie Chadim dann ein paar Tische zur Ausschank von Getränken und kleinen Speisen ins Freie gestellt. Wo sich heute unser Kachelofen befindet, war früher die „Bar“. Das Fenster im Rosenzimmer soll der Eingang gewesen sein. Das Lokal war also sehr klein, es umfasste die Fläche des heutigen Rosenzimmers plus des Kachelofens, wo damals die Bar das Ende bildete.

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